Die Universität Hamburg (UHH) hat im November 2025 einen umfassenden Orientierungsrahmen zur Nutzung generativer KI-Systeme in Studium und Lehre veröffentlicht. Damit gehört sie zu jenen Hochschulen in Deutschland, die frühzeitig klare Leitplanken für den Einsatz von Tools wie ChatGPT, Claude etc. setzen und zugleich Chancen für eine moderne, wissenschaftsorientierte Lehre ausloten.
Der neue Rahmen soll Orientierung geben, ohne Innovation zu bremsen. Er wird jährlich vom Beratungskreis Digitalisierung in der Lehre geprüft, um mit der rasanten Entwicklung generativer KI mitzuhalten.
In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Inhalte zusammen und zeigen, warum dieser Schritt nicht nur notwendig, sondern richtungsweisend ist.
Was versteht die UHH eigentlich unter „generativer KI“?
Der Orientierungsrahmen definiert generative KI (gKI) als digitale Systeme, die auf maschinellem Lernen basieren und aus großen Datenmengen eigenständig Inhalte erzeugen können – Texte, Bilder, Audio, Videos oder Code.
Zentral ist dabei:
- KI arbeitet auf Basis statistischer Muster, nicht auf einheitlichem Faktenwissen.
- Ergebnisse sind nicht reproduzierbar, d.h. derselbe Prompt erzeugt unterschiedliche Ergebnisse.
- Neuere Systeme kombinieren Modellwissen zusätzlich mit aktuellem oder fachspezifischem Wissen (RAG, Retrieval-Augmented Generation).
Damit betont die UHH: Generative KI ist mächtig aber nicht verlässlich im wissenschaftlichen Sinne. Genau hier setzt der regulatorische Rahmen an.
Warum braucht die Uni überhaupt Leitlinien?
Generative KI ist kein Trend, sondern eine Schlüsseltechnologie, die das akademische Arbeiten dauerhaft verändert. Für die UHH steht fest:
- KI wird Teil nahezu aller wissenschaftlichen Prozesse.
- Studierende müssen lernen, verantwortungsvoll damit umzugehen.
- Lehrende brauchen Orientierung, wie sie KI sinnvoll und rechtssicher nutzen können.
- Themen wie Nachhaltigkeit, CO₂-Verbrauch und ethische Fragen dürfen nicht ignoriert werden.
Kurz: Die Hochschule sieht sich in der Pflicht, den Wandel aktiv mitzugestalten und nicht nur zu reagieren.
Didaktische Grundprinzipien: KI nutzen, aber Kompetenzen bewahren
Der Orientierungsrahmen macht klar: KI soll nicht ersetzen, was Studierende eigentlich lernen sollen. Damit keine Kompetenzverluste („Deskilling“)entstehen, setzt die UHH folgende Leitlinien:
In der Lehre gilt
- KI-Einsatz muss zu Lernzielen passen.
- Der Umgang mit KI soll reflektiert werden, auch wenn sie im Kurs nicht aktiv genutzt wird.
- Die Nutzung muss transparent sein.
Für Lehrende bedeutet das: Sie sollen KI ausprobieren, Szenarien entwickeln, Einsatzgrenzen klar kommunizieren und gKI selbst kritisch prüfen.
Für Studierende heißt das: KI kann Schreibprozesse erleichtern, Ideen liefern oder bei der Strukturierung helfen, birgt jedoch immer das Risiko, eigene Lernprozesse abzukürzen.
KI in Prüfungen: Wo erlaubt, wo verboten und wie zu dokumentieren?
Einer der wichtigsten Bereiche des Orientierungsrahmens betrifft Prüfungen. Die UHH schafft hier Klarheit:
1. Prüfungen, in denen KI erlaubt ist
Vor allem bei Hausarbeiten oder Take-Home-Exams soll KI grundsätzlich zugelassen werden, da ihr Einsatz ohnehin kaum rechtssichernachzuweisen ist.
ABER:
Der Output muss dokumentiert und gekennzeichnet werden.
Der Rahmen nennt konkrete Vorgaben:
- KI-generierte Textpassagen müssen als solche markiert werden.
- Genutzte Tools müssen mit Zweck aufgelistet werden.
- Auch KI-basierte Suchhilfen müssen dokumentiert werden.
2. Prüfungen, in denen KI verboten ist
Wo es fachlich notwendig ist, kann die Nutzung untersagt werden. Für diese Fälle empfiehlt die UHH alternative Prüfungsformen:
- Fokus auf Prozessdokumentation statt reiner Produktbewertung
- Mündliche Prüfungen oder persönliche Gespräche
- Aufgaben, die sich mit KI nicht lösen lassen
- Präsenzprüfungen unter Aufsicht
3. Eigenständigkeitserklärungen
Studierende müssen weiterhin bestätigen, dass sie eigenständig gearbeitet haben inklusive Nennung der erlaubten Hilfsmittel. KI fällt automatisch darunter, muss aber präziser definiert werden.
Urheberrecht: Wem gehört KI-Output?
Ein weiterer wichtiger Teil der Regulierung: der Umgang mit geistigem Eigentum.
Wesentliche Punkte:
- KI-generierte Inhalte sind in der Regel gemeinfrei, da ihnen die „persönliche geistige Schöpfung“ fehlt.
- Nur wenn Nutzer*innen kreativ gestaltend eingreifen, entsteht ein eigenes Urheberrecht.
- Prompts können selbst urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie ausreichend kreativ sind.
- Lehrende dürfen Studierenden arbeiten nicht einfach in KI-Tools eingeben, denn diese sind urheberrechtlich geschützt.
Die UHH empfiehlt ausdrücklich den Einsatz von Plagiatsscannern (wohlgemerkt keine KI Scanner), um unbeabsichtigte Übernahmen zu prüfen.
Datenschutz: Strenge Regeln bei personenbezogenen Daten
Der Rahmen betont die Sensibilität personenbezogener Daten:
- Solche Daten dürfen bei KI-Systemen grundsätzlich nicht verwendet werden.
- Auch UHHGPT (das interne KI-System der Uni) darf aktuell nicht mit personenbezogenen Eingaben genutzt werden.
- Die rechtliche Lage zu OpenAI & Co. ist weiterhin unklar insbesondere bei US-Anbietern.
Nur gKI-Systeme mit offiziell bereitgestellten Lizenzen der UHH dürfen verpflichtend eingesetzt werden.
Besonders relevant:
US-Tools ohne Zertifizierung nach dem EU–U.S. Data Privacy Framework dürfen keine personenbezogenen Daten erhalten.
Und was bedeutet das alles für die Zukunft der Hochschullehre?
Mit dem Orientierungsrahmen macht die UHH deutlich: KI wird nicht verschwinden und ein fester Bestandteil der akademischen Ausbildung aberunter klar definierten Bedingungen. Die Hochschule zeigt Verantwortung, indem sie:
- Innovation ermöglicht, aber kontrolliert
- Prüfungsformate weiterentwickelt
- Studierende und Lehrende auf einen reflektierten, kompetenten Umgang vorbereitet
- rechtliche, ethische und ökologische Aspekte aktiv berücksichtigt
Für Studierende und Lehrende beginnt damit eine neue Phase. KI wird selbstverständlich aber nicht unreguliert und verlässt somit den langevorherrschenden Graubereich beim Einsatz im wissenschaftlichen Kontext.
Fazit
Der neue Orientierungsrahmen der Universität Hamburg ist ein wegweisendes Dokument für den Umgang mit generativer KI an Hochschulen. Es akzeptiert die Lebensrealität aller in der Forschung & Lehre tätigen Personen, schafft Klarheit, schützt wissenschaftliche Standards und öffnet gleichzeitig Raum für didaktische und technische Innovation.
Die Botschaft lautet:
KI gehört zur Zukunft der Lehre. Gleichwohl in einer verantwortungsvollen, transparenten und wissenschaftlichen Weise.


